Wachstum und passiver Bewegungsapparat
Das „Mark-Jansen-Gesetz“ definiert die Empfindlichkeit des Gewebes in Relation zur Wachstumsgeschwindigkeit.
Demnach ist die Empfindlichkeit umso höher je größer die Wachstumsgeschwindigkeit ist. Damit ist auch die Gefahr
von Belastungsschäden in dieser Phase am ausgeprägtestem. Und eingedenk einer möglichen retardierten oder
beschleunigten Entwicklung führen die gleichen Belastungen bei den sich entwickelnden Jugendlichen zu
unterschiedlich ausgeprägten Schäden oder möglicherweise gar keinen Schäden.
Damit ergibt sich für jeden pubertierenden Jugendlichen ein individueller Belastbarkeitsgrad für den Knochen-,
Sehnen-, Knorpel- und Bänderapparat. Und dieser Belastbarkeitsgrad stellt den limitierenden Faktor für die
körperliche Leistungsfähigkeit der Jugendlichen dar.
Wie im Stoffwechsel gibt es auch im passiven Bewegungsapparat einige Besonderheiten für den sich entwickelnden
Organismus. Die Knochen eines Kindes und Jugendlichen enthalten deutlich mehr weiches organisches Material und sind
deshalb biegsamer als die Knochen eines älteren Menschen. Diese vermehrte Biegsamkeit geht aber zulasten einer
verminderten Zug- und Druckfestigkeit, was eine verringerte Belastbarkeit des gesamten Skelettsystems bedingt.
Sehnen und Bänder weisen bei Kindern und Jugendlichen eine geringere Mizellen-Bildung auf, deren ausgereifte
Bildung dem Bänder- und Sehnenapparat eines Erwachsenen eine stärkere Zugfestigkeit verleiht.
Das Knorpelgewebe und die Wachstumsfugen befinden sich in diesem Alter in einem intensiven Wachstumsprozess mit
hohen Teilungsraten der entsprechenden Zellen, was diese Bereiche besonders empfindlich für eintretende Störungen,
wie z. B. hohen Belastungen, macht.
Submaximale Belastungen dagegen können als produktiver Anreiz für das Wachstum und die Reifung dieser Strukturen
angesehen werden. Einseitige und überbetonte Belastungen sind kontraproduktiv und führen in der Regel zu
langfristigen Schädigungen. Auch die Wachstumsphase eines Jugendlichen ist nicht in der Lage, Gewebeschäden, die
den „Point of no return“ überschritten haben, wieder zu reparieren.
Der aktive Bewegungsapparat, wie z. B. die Muskulatur, reagiert auf Belastungsreize viel schneller als sein
passiver Gegenpart. Hier sind funktionelle und morphologische Veränderungen schon nach einigen Tagen sichtbar. Bei
Knochen, Sehnen, und Bändern erfolgt die Veränderung erst nach Wochen. Damit erfolgt die Anpassung des passiven
Bewegungsapparats an erhöhte Belastungen nur langsam, was bei einer schnellen weiteren Erhöhung der Belastung zur
Überlastung des passiven Bewegungsapparats führt, während der aktive Bewegungsapparat gut auf diesen
Belastungsschub anspricht. Hier haben wir das Beispiel einer Kette, die nur so kräftig ist wie ihr schwächstes
Glied. Demzufolge sollte die körperliche Belastung von Kindern an dem schwächsten Glied, dem passiven
Bewegungsapparat, angepasst sein, um Folgeschäden zu vermeiden.
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